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KTM-Michi Tremalzobezwinger
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge insgesamt: 242
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Verfasst am : Mo, 6. Sep 2004, 7:28 Titel: |
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Moin Moin von KTM-Michi,
große Reise viel Text, hab leider nicht alles auf einmal einkopieren können -
daher in mehrere Teile aufgeteilt. Trotzdem viel Spass beim Lesen:
Rund um's Baltikum
Wie bin ich zu dieser Reise gekommen?
Ganz einfach.
Detlef, mein langjähriger KTM-Freund, lockte mich schon seit Jahren nach Island. Da ich die Wärme liebe und somit ein "Afrikafan" bin, konnte ich mich mit Island nicht so recht anfreunden. Dort soll es ja teilweise im Hochsommer vorkommen, dass es Nachtfröste gibt! Bei diesem Gedanken steigt in mir ein Unbehagen auf! Unser Winter und ein Wintertreffen je Jahr reicht mir. Ich weiß natürlich, dass diese Insel viel Fahrspaß und Natursehenswürdigkeiten bietet.
Nun gut.
Bei einem der vielen Benzingespräche, die wir auf diversen Motorradtreffs führten, kam der Gedanke einer Baltikumreise in mir auf. Das war's – nicht soweit im Norden und die Reise soll im Sommer stattfinden!
Ich ergänzte dann die Reiseplanung noch um den Jadogasee und St. Petersburg – das neu erstellte Bernsteinzimmer besichtigen.
Irgendwie wollte ich immer einmal die russische Grenze überschreiten...
Detlef stimmte zu und nach dem wir alle Vorbereitungen getroffen hatten (Visum, Fährtickets etc.), begann unsere Tour am 07. August 2004.
Da in meinem Reisetagebuch über 100 Seiten zusammengekommen sind, habe ich eine Zusammenfassung erstellt. Dennnoch sind es 14 DIN-A 4 Seiten geworden. Also schön, in der Mittagspause oder abends bei einem Bier trinken!
Leider verlief die Tour für mich nicht so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Für Detlef war es genauso .
1. Tag, 07. August 2004, Samstag
Geplante Abfahrtszeit war 10:00 Uhr vormittags.
Die Abfahrt verzögerte sich jedoch aufgrund eines platten Hinterreifens an Detlefs Motorrad um gut 2 Stunden. Wir benötigten einen neuen Hinterradschlauch, da der alte Schlauch an einer bereits geflickten Stelle undicht geworden war – also Hinterrad fix demontiert und ab nach Senden zu Georg. Platter Reifen – böses Ohmen? Ich verdrängte den Gedanken....
Vor dem Start nochmals mittels Mobiltelefon Verkehrsfunk abgehört. 2 große Staus in Richtung Bremen. Somit fuhren wir abseits der Autobahn, um kurz vor Bremen dann auf die A1 zu wechseln.
Durch die Reifenpanne und den zeitlichen Umweg über die Landstraßen, mussten wir auf Hitzacker und eine kleine 60 Kilometer lange Offroadtour jenseits der Elbe verzichten.
Pünktlich zum Abendessen kamen wir in unserer Herberge in Valluhn an, die wir aus unseren vielen Mec-Pom Touren her kannten.
2. Tag, 8. August 2004, Sonntag
Entlang am Schaalsee fuhren wir eine ganze Weile auf den für diese Region typischen idyllischen kleinen Feldstraßen in nördlicher Richtung. Dazu herrliches Wetter. So kann's weitergehen!
In Roggendorf bogen wir auf die B 208, um auf ihr nach Wismar zu gelangen. In Wismar wechselten wir auf die neu fertiggestellt Ostseeautobahn bis nach Rostock. Dort suchten wir als erstes den Fährhafen auf. Da an diesem Wochenende Hanse Sail in Rostock war und ein Millionenpublikum erwartet wurde, so habe ich es im Radio gehört, rechnete ich mit verstopften Straßen und endlosen Menschenschlagen. Nichts, gar nichts! Die Stadt sah wie jede Stadt an einem Sonntagmorgen aus. Wo sind die Millionen Menschen? Am alten Hafen standen wie an einer Perlschnur aufgereiht die Verkaufsbuden. Dazwischen hatten einige Schausteller ihre Fahrgeschäfte aufgebaut. Am Kai lagen etliche alte Boote.
Pünktlich um 17:00 Uhr legte die Finnjet ab und wir konnten von Deck aus einige große Windjammer und ein Kreuzfahrtschiff bewundern, bevor wir bei Warnemünde in die offene See stachen.
3. Tag, 09. August 2004, Montag
Den Wecker so eingestellt, dass wir um 9:00 Uhr frühstücken konnten.
Als wir am Restaurant eintrafen, wurden gerade die Türen verschlossen.
Ich hatte nicht bedacht, dass in der Nacht die Uhren bereits eine Stunde vorgestellt wurden und auf der Finnjet eine neue Bordzeit galt. Shit happens.....all times. :-D
Wir gingen ins Bistro und nahmen dort unser Frühstück.
Auf See hatten wir herrliches warmes Wetter und keine einzige Wolke trübte den Blick zum azurblauen Ostseehimmel. Nur es war recht windig. Klar, der Fahrtwind, und auf See geht ja eh immer Wind.
Gegen 13:30 Uhr wollten wir unser Mittagessen einnehmen. Wir suchten daher eines der mehreren Restaurants, die es neben dem Hauptrestaurant gab, auf. Als wir uns gerade niedergelassen haben, wurde wir freundlich darauf hingewiesen, dass es kein Mittagessen mehr gab. Verwundert schauten wir uns an und erfuhren, dass es nur von 11:00 Uhr bis 13:00 Uhr Mittagessen gab. Detlef war sauer und beschwerte sich an der Schiffsrezeption. Dort wurde er lediglich darauf hingewiesen, dass dies so sei und er sich schriftlich bei der Reederei beschweren solle.
Also wieder zurück ins Bistro, das wir ja schon vom Frühstück her kannten. Leider gab es nur kaltes Essen.
Gegen Abend liefen wir in Tallin ein. Wir mussten unsere Fähre wechseln. Um auf die Superseacat zu gelangen, mussten wir erst in Estland einreisen. Das Abfertigungsgebäude umfahren um auf der Rückseite des Gebäudes wieder das Land zu verlassen. Anschließend mussten wir unseren Weg durch die wartenden Fahrzeuge von der Finnjet bahnen, die sich mittlerweile vor dem Grenzhäuschen gebildet hatte. Eine knappe Stunde später waren wir dann endlich auf der Seacat. Bürokratismus juchee! Die Seacat lag direkt neben der Finnjet und wir hätten nach dem Verlassen der Finnjet nach nur 100 Meter nur links abbiegen müssen und wären dann nach weiteren knapp 100 Meter im Bauch der Seacat verschwunden.....
In der Seacat fühlte ich mich wie in einem riesigen Weltraumgleiter. Nach 1 ¾ Stunde war die Fahrt zu Ende. Helsinki war erreicht. Die Einreise verschlang nochmals eine gute ½ Stunde und wir suchten den Stadtcampingplatz von Helsinki auf.
Gegen Mitternacht hatten wir dann unsere Zelte aufgebaut. Wir gönnten uns noch ein kleines Nachtmahl und verschwanden dann in unseren Zelten.
4. Tag, 10. August 2004, Dienstag
Knurrend weckte mich mein Magen, hatten wir doch am gestrigen Tag so viel Pech mit dem Essen gehabt. Die Innenstadt bzw. der alte Hafen war das morgendliche Ziel. Ein schönes sonniges Plätzchen finden - in einem Cafe. Nach einer kleinen Stadtrundfahrt kehrte ich zu dem Cafe zurück, das ich am Anfang am alten Hafen gesehen hatte. Die Terrasse bot einen guten Blick zum alten Hafen. Ich fragte nach einem Frühstück und wurde ins Cafe gebeten. Ein großes Frühstücksbuffet präsentierte sich vor mir. Ich wählte einen Shrimpstoast und ein Croissant. Dazu einen großen Pott Kaffee. Detleff wollte ich erst etwas mitbringen aber angesichts der Auswahl, wollte ich ihm die Wahl selbst überlassen.
Am Tisch angekommen, fragte er mich, was für ihn sei. Ich berichtete ihm von der großen Buffetauswahl und bat ihn, selbst seine Wahl zu treffen. Er fragte nach den Preisen – Shrimpstoast 7 Euro, Croissant 2,20 Euro. Erschreckt von den hohen Preisen war ihm der Appetit vergangen. Detlef stand auf und ging auf dem Markt auf Frühstücksjagd, der gerade am Hafen stattfand. Ich nahm derweil allein mein Frühstück zu mir und folgte ihm.
Zwischenzeitlich hatte eine Schaustellerin ein Hochtrapez in der Nähe unserer parkenden Motorräder aufgebaut. Kurze Zeit später begann die Dressurvorstellung mit Katzen und Hunden. Es war lustig anzuschauen. Wir verbleiben eine Weile und ich hielt die einzelnen akrobatischen Einlagen der Schmusekatzen mit meiner Videokamera fest.
Am späten Vormittag verließen wir dann Helsinki.
Zwischen Porvoo und Lovisa wechselten wir von der Autobahn auf die Landstraße, um einige Kilometer auf ländlichen Wegen hinter uns zu bringen. Vor Kotka fuhren wir wieder auf die Schnellstraße, um diese direkt hinter der Stadt in Hamina wieder zu verlassen.
Die Landstraße war schön geschwungen und hügelig. Es machte richtig Spaß mit der Kati durch die Kurven und über die kleinen Hügelbuckel zu swingen. Teilweise hatten wir auch geschobene Pisten. In Klamila hörte ich plötzlich stellenweise ein Schleifen. Zunächst dachte ich mir nichts ernsthaftes, bis ich dann am Hafen von Klamila feststelle, der gut 3 Kilometer vom Ort entfernt war, dass meine rechte Ortliebpacktasche verrutscht war und beim einfedern am Hinterreifen schliff.
Das Verlagern der Packtaschen etwas weiter nach hinten, was ich am Morgen vorgenommen hatte, war keine gute Idee. Der Grund hierfür lag darin, dass ich nicht genügend Kraft aufwenden konnte, um meine KTM selbständig auf den Hauptständer zu wuchten. Detlef musste mir dabei helfen. Dabei fehlten mir nur 3-4 Kilo mehr Kraftaufwand. Na ja, ich fand mich damit ab, bin halt nur ein Bürohocker. Im Laufe der Reise und durch mehrmaliges Umpacken habe ich es dann doch geschafft, meine KTM selbständig auf den Hauptständer zu wuchten.
Ich nutzte die Pause im Hafen von Klamila und flickte das in die Ortliebtasche gefräste Loch mit Tape. Detlef schaute sich derweil den Hafen an.
In Virolanden nahe der russischen Grenze, hatten wir zunächst den Campingplatz für die nächsten 2 Nächte ausgesucht. Es war ein Waldcampingplatz direkt an einer der vielen Schärenbuchten. Die Rezeption war zu. Bei der Einfahrt sah ich einen Mann Holz hacken. Der Eigentümer? Ich ging hin. Die Verständigung war sehr schwierig, da er nur finnisch konnte aber irgendwie hat's dann doch funktioniert. Wir sollten um 17:00 Uhr wiederkommen, dann wäre jemand da. Ich ging zurück.
Detlef versucht meine umgekippte KTM aufzurichten. Der Seitenständer ist, na ja wir wissen es ja alle..... im Boden zu tief eingesackt. Erst mit gemeinschaftlicher Hilfe gelang es uns sie aufzurichten.
Nach kurzer Beratung fuhren wir weiter Richtung Norden der Küste entlang zu unserem Ausweichcampingplatz. Ich muss gestehen, der Ausweichcampingplatz war viel besser, bot er doch einen unvergesslichen Ausblick bei Sonnenuntergang.
5. Tag, 11. August 2004, Mittwoch
Die Sonne strahlte von einem wolkenlosen Himmel herunter.
Nach dem Frühstück machten wir uns ins Hinterland von Finnland auf. Wir durchfuhren Kilometerlange geschobene Pisten durch Wälder. Auf den freien landwirtschaftlichen Flächen wurde die Piste schwungvoller und war wieder mit kleinen Buckeln und Hügeln durchsetzt. Etliche Kurven luden regelrecht zu einem Drift ein. Das nutzte ich reichlich aus.
Dazwischen fuhren wir an einsamen Seen vorbei, an denen kleine rote Wochenendhäuser standen. Sie konnten glatt aus Werbeprospekten entsprungen sein. Idyllisch. Hier hätte ich tagelang, wochenlang bleiben können. Aber wir hatten uns ja noch so viel vorgenommen.
Plötzlich stand ein Panzer im Wald!? Es war der Hinweis auf ein Militärmuseum. Wir nutzen dies für eine kleine Pause und schauten uns die ehemalige Wehranlage aus dem 2. Weltkrieg an.
Am Campingplatz angekommen machte ich an meiner KTM eine kleine Kontrolle und wechselte den Luftfilter. Leider machte mir meine KTM seit einigen Tagen schon etwas Sorgen. Der Verbrauch schnellte seit der Abfahrt plötzlich in die Höhe und bis 5.000 Umdrehungen/min lief sie unsauber und nahm nur widerwillig Gas an. Ferner spuckte sie beim Beschleunigen tiefschwarzen Qualm aus meinem HXC. Luftfilter zu, Vergaser verdreckt, ...? Meine stille Vermutung, dass evtl. die Düsennadel verschlissen war, hatte sich dann zu Hause bewahrheitet. Ich glaube, nach gut 35.000 Kilometer dürfte sie es auch sein – oder? Wie ich vom Mechaniker später erfuhr, stellen sich die Symptome anfangs sehr schleichend ein und wenn ein gewisser Punkt erreicht ist, dann exorbitant.
Anschließend wollte ich den Luftdruck wieder auf Normalniveau anheben. Leider versagte die Touratech Matrix Zoom ihren Dienst. Im Ventilbereich war das Gewinde verschlissen und die Luft entwich an den Seiten. Detlef war nicht so erbaut darüber, falls wir unterwegs zwischen Irgendwo und Nirgendwo einen Plattfuss haben und verfluchte die Pumpe von touratech. So ein Mist, dachte ich mir, aber es gab ja noch Tankstellen und Baumärkte um Ersatz zu besorgen, waren ja nicht in der Wüste.
Mit einem selbstgemachten Chili-Con-Carne beendeten wir den Tag bei glutrotem Sonnenuntergang.
6. Tag, 12. August 2004, Donnerstag
Die Uhr am Vorabend auf russische Zeit eingestellt, da wir mit Einreise in Russland wieder eine Zeitzone überschreiten (+ 2 Stunden, wie bei uns daheim) starten wir morgens um 7:00 Uhr. Nach einem Frühstück an der letzten Tankstelle vor der Grenze erreichen wir kurz vor acht Uhr die russische Grenze.
An der finnischen Grenze verbreiterte sich unsere Fahrspur auf 3 Fahrspuren. An allen brennte die rote Ampel. Ich nahm die äußerst rechte, weil dort keine Autos warteten. Kaum angekommen, leuchtete die linke Fahrspur grün auf. Pech gehabt. Detlef sagte mir, wenn die mittlere grün aufleuchtet fahren wir. Gut. Irgendwann sprang die mittlere auf grün. Detlefs Motor heulte auf. Irgendwie hatte ich den Wechsel nicht mitbekommen, als ich gerade losfahren wollte, war die Ampel wieder auf rot. Detlef fragte mich, warum ich nicht gefahren bin – nu, ich hab' gepennt. Keine Minute später sprang unsere auf grün. Der Grenzbeamte hatte wohl Mitleid mit uns.
Die Ausreise war zügig erledigt.
Die Einreise nach Russland war dafür zeitaufwendiger:
1. Grenzkontrolle
- Pässe werden auf Visumeintrag geprüft
2. Grenzkontrolle
- 1. Häuschen Touristische Einreise
- 2. Häuschen Zolldeklaration, Motorradeinfuhr
- 3. Häuschen Versicherungsabschluss für Motorrad und zurück zum 2.
Häuschen für die Endbearbeitung.
3. Grenzkontrolle
- Prüfung ob alles korrekt vorgenommen wurde.
Bei mir war alles in Ordnung, leider bei Detlef nicht. Er musste nochmals zurück. Er war nicht am ersten Häuschen. Bei mir war's mehr oder weniger Zufall oder Intuition? Als wir ankamen standen am 1. Häuschen so viele Einreisende, dass er gleich das 2. Häuschen aufsuchte. Sie sahen ja auch alle gleich aus. Nachdem wir gut 2 Stunden für die Einreise benötigten, mussten wir somit nochmals eine Stunde dranhängen. Um kurz nach 11:00 Uhr hatten wir dann die Grenze passiert. Endlich in Russland.
Schlagartig wechselte sich das Bild. Die vorher auf finnischer Seite hervorragend ausgebaute Straße verwandelte sich in eine mehr oder weniger marode Transitstraße mit sehr breiten, unbefestigten Straßenrändern, die mich später nochmal retten sollten. An den Straßenrändern standen zusehends immer mehr alte Mütterchern und Bauern, die ihre Produkte, Pilze, Blaubeeren, Kartoffeln usw. zum Kauf anboten. Die Straßenränder waren mit Müll reichlich garniert. Hinter den unbefestigten Straßenrändern öffnete sich fast undurchdringliches Buschwerk. Der Boden war extrem sumpfig, riesige Auenflächen säumten die Straßen. Hier und da ging ein unbefestigter Weg ab.
Da wir uns innerhalb von 48 Stunden nach der Einreise registrieren lassen mussten, wählten wir den direkten Weg nach St. Petersburg.
Vor Vyborg musste ich mich entscheiden. Der Umgehungsstraße folgen oder mitten durch die Stadt? Da wir ja etwas erleben wollten, wählte ich die Strecke durch die Stadt. Oh Gott!
Abbruchreife Häuser und Fabrikruinen säumten unseren Weg. Die Straßen waren übersäht mit Löchern und erst die Straßenbahn! Rostzerfressene Straßenbahnen mit handballgroßen Löchern fuhren teilweise auf freischwebende Schienen! Durch Regen und durch nicht vorgenommene Ausbesserungen haben sich links und rechts der Schienen fast 10 cm tiefe Furchen gebildet. Stellenweise waren diese Auswaschungen noch größer, so dass die Straßenbahnschienen frei in der Luft hingen. Eine Straßenbahn fuhr im Zeitlupentempo über diese Stelle. Es knarrte und knarzte unerhörlich, jeden Moment konnte die Bahn aus der Schiene springen. Auch für uns stellten diese Auswaschungen größte Herausforderungen dar, mussten wir doch etliche Male die Schienen überqueren! Und dann noch unzählige LKW's vor uns. Uralte Klapperkisten, die eine riesige schwarze Stinkfahne hinter sich herzogen. Mir stockte glatt der Atem! Oh Gott oh Gott! Dies verführte uns wiederum zu riskanten Überholvorgängen.
Als wir endlich Vyborg durchquert hatten und wieder auf der Transitstrecke waren atmete ich durch. Nach etlichen Kilometern drögen Dahinfahrens erschrak ich. Tauchte doch plötzlich ein riesengroßer LKW direkt vor mir auf. Ich erschrak. Hinter mir Detlef und kein Auto und LKW! Wie kann er nur einfach zum Überholen ansetzen? Ah- ja, wir sind ja wesentlich schwächer als er. Rechtzeitig konnte ich noch auf den extrem breiten unbefestigten Straßenrand ausweichen und hatte Angst, mir irgendwo ein Nagel einzufangen. Der Straßenrand machte absolut keinen vertrauenswürdigen Eindruck.
Etliche Kilometer weiter mussten wir Treiböl für unsere Tanks bunkern, denn bereits bei etwas über 300 Kilometer war mein Tank leer. Eine kurze Rechnung ergab 7,6 ltr. auf 100 Kilometer! Detlef verbrauchte auf dieser Distanz knapp über 5 Liter. Gut, er hat seine extrem mager und auf Touring eingestellt und keinen offenen Lufi. Ich dagegen fuhr mit offenen Lufi und sportlicher Abstimmung. Trotzdem zuviel. Mein Spitzenverbrauch lag einmal sogar bei 7,9 ltr. Die Ursache habe ich ja bereits geschildert.
An der Tankstelle wollte Detlef einige Fotos machen. Funktionierte leider nicht ganz. Denn plötzlich kam ein schwarz bekleideter Herr heraus und donnerte ihn zusammen und verbot ihm Fotos zu machen. Muss wohl noch ein alter KGB Mann gewesen sein. "Mann Junge, es herrscht Glasnost!"
Das Zentrum in St. Petersburg fanden wir dank GPS WP sehr schnell. Hatte mir zu Hause einen WP anhand der Reise-Know-How Straßenkarte gesetzt, die ich mir vollständig eingescannt hatte und dann via TTQV kalibriert hatte. Mein WP war genau gegenüber des Admiralitätsgebäudes am anderen Ufer der Neva. Nun galt es, das mir von Thomas Junker empfohlene Hotel Moskau (ГОСТИНИЦА МОСКВА) zu finden. Es soll am Ende des Newskij Prospekt liegen. Die Straße war schnell gefunden. Es war die Hauptprachtstraße von St. Petersburg. Dementsprechend ging es fast gar nicht voran. Die Straße war heillos verstopft. Wir konnten uns kaum zwischen den Autos durchmogeln, da diese so eng zusammenstanden. Am Platz des Aufstandes stießen 6 Straßen ineinander. Welcher ist die richtige? 2 Mal habe ich die Falsche gewählt. Auch die freundliche Hilfe eines Polizeibeamten half nicht wirklich. Letztendlich sind wir über eine Querstraße zum Ziel gelangt. Ein grauer Riesenpalast aus kommunistischer Zeit. Am Parkplatz wurden wir sofort abgefangen. Ein kleiner dicklicher Parkplatzwächter bot uns seine Aufpasserdienste an. Ich wiegelte erst einmal ab, da ich mich zuerst um ein Hotelzimmer bemühen wollte. Wir hatten ja nicht vorreserviert. Die Receptionistin gab mir zu verstehen, dass das Hotel 160 US-Dollar kostet. Wie? Ich fragte, ob es preisgünstigere Zimmer gibt. Sie verneinte. Ich teilte ihr mit, dass ich im Internet Preise von 100 US-Dollar gelesen habe. Sie sagte ja, aber nicht in der Hauptsaison. Ich ging zu Detlef zurück. Wollte nicht sofort für 2 Tage buchen, wie es geplant war. Detlef teilte ich mit, dass ich eine schlechte und eine gute Nachricht habe. Detlef erschrak angesichts des Preises. Das Gute daran war, dass wir innerhalb von einer Stunde unsere Registrierung erhalten sollten und nicht 2-3 Tage, wie auf dem Hinweiszettel von unserem Visumsbeschaffer vermerkt. Er wollte unter diesen Umständen nur eine Nacht bleiben. Ich stimmte zu und bat darum, dass wir dann auf den Rückweg den Katharinenpalast besuchen. Ein Besuch des Bernsteinzimmers wollte ich mir ungern entgehen lassen. Ferner mussten wir für unsere beiden Motorräder 30 Euro Aufpassergebühren bezahlen.
So starteten wir am Nachmittag zu einem Rundgang durch die Innenstadt von St. Petersburg. Ein Taxi brachte uns zum Schlossplatz. In der Mitte des imperialen Halbrunds steht die riesige Alexandersäule. Mit ihren 47,5 Metern ist sie höher als die Säule auf der Place Vendôme in Paris. Der Granit Monolith ist stark römisch geprägt. Da der Bau des Säulensockels im Winter angeordnet wurde, soll der Zement mit Wodka gemischt worden sein – gegen den Frost! Schöne Geschichte. Mein Blick schweifte zum lang gestreckten gelb-ockerfarbenen Verwaltungsgebäude für Generalstab und Außenministerium. Stattliche 580 Meter misst die Bogenlänge der säulengeschmückten Fassadenfront. In die Mitte, genau auf der Zentralachse des gegenüberliegenden Winterpalastes, befindet sich ein großer in römischen Stil erbauter Triumphbogen mit einem sechsspännigen Siegeswagen. Ich bin sichtlich beeindruckt von solch gewaltiger Pracht aus 18./19. Jahrhundert. Auf der gegenüberliegenden Seite prangt ein weiteres riesiges Gebäude in einem leuchtenden Grün um die Gunst der Besucher – der Winterpalast und die neue Eremitage, welche gegen Ende des 18. Jahrhunderts erbaut wurde. Allein die Eremitage soll über 353 Zimmer haben!
Vorbei an der Christi Auferstehungskirche "Auf dem Blute" – einer typischen orthodoxen Kirche mit einer märchenhaften Mosaikpracht von 16.000 m² und goldene Zwiebeltürme, die an der Stelle erbaut wurde, an der im März 1881 nach einem Attentat Zar Alexander II. verblutend auf dem Straßenpflaster starb - bahnen wir unseren Weg über das brennende Marsfeld zum Kreuzer Aurora. Na ja, im Zentrum brannte ein "ewiges Feuer". Zwischen der Kirche und dem Marsfeld durchquerten wir jedoch zuvor einen Souvenirmarkt. Vereinzelt sprangen Jungvermählte über's Pflaster. Wie chic. Mein Fotoapparat war gezückt und ich musste an meine eigene Hochzeit zurückdenken - war das schön, als ich endlich mein Hochzeitsgeschenk auspacken durfte..... :-D
Sicherlich wird jedem dieser Kreuzer bekannt sein. Wurde doch auf diesem Schiff im Februar 1917 erstmals die rote Fahne gehisst und am Abend des 7. November (25. Oktober alter Rechnung) der Blindschuss abgefeuert, der das Signal für die Eroberung des Winterpalais gab und damit für die sowjetische Oktoberrevolution.
Über den Newskij Prospekt machten wir uns auf dem Weg zurück zum Hotel. Vorbei am Singer-Haus, der Kathedrale der Muttergottes von Kasan und dem Denkmal Katharinas II. passierten wir etliche weitere Sehenswürdigkeiten. Unser Blick war jedoch auf ein Restaurant gerichtet. Die Uhr ging mittlerweile streng auf 20 Uhr zu. Bisher hatten wir nur edle Restaurants gesehen. Nichts für uns puristische Motorradfahrer. Wir passierten Mac Donalds. Nee, hier möchte ich nicht essen! Suchte etwas klassisches, russisches. Nach etlichen hundert Metern fanden wir immer noch kein Restaurant. So landeten wir notgedrungen bei Pizza Hut. Hhhmmm!? Mein Magen schmerzte vor Hunger. Weitergehen? Wie lange noch? Sind schon so lange gelaufen. Und wenn wir jetzt reingehen und essen, dann finden wir bestimmt 100 Meter weiter gleich etliche russische Restaurants. So war es dann auch. Nachdem wir ordentlich gesättigt aus Pizza Hut kamen, liefen uns gleich 3 russische Restaurants über den Weg. Sch... Murphys Gesetz.
Kurz vor Mitternacht kamen wir dann in unserem Hotel an. Im künstlich geschaffenen Biergarten nahmen wir dann noch einen Absacker.
_________________ Einige träumen von großen Taten.
Andere sind wach und vollbringen sie.
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KTM-Michi Tremalzobezwinger
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge insgesamt: 242
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Verfasst am : Mo, 6. Sep 2004, 7:44 Titel: |
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Fortsetzung:
7. Tag, 13. August 2004, Freitag
Der Tag begann recht gut. Sonne und Wolken wechselten sich ab. Es war nicht mehr so warm wie an den Tagen zuvor. Da stieg die Quecksilbersäule weit über 20°C.
Wir ließen uns mit dem Frühstück Zeit. Kurz vor Mittag brachen wir dann auf. Unser Ziel war Priozersk (ЛРИОЗЕРСК) am Ladoga See rund 160 Kilometer nördlich von St. Petersburg.
Die A 129 sollte uns dorthin führen. Nur wie auf die Straße gelangen? Die Hinweisschilder waren sehr dürftig aufgestellt und wenn eins vorhanden war, dann nur in kyrillischer Schrift. Irgendwie landete ich wieder auf der E-18, auf der Straße auf der wir in die Stadt hineingefahren sind. An einer Tankstelle kauft ich mir dann genervt eine russische Straßenkarte. So konnte ich meine mit der russischen abgleichen und nach den kyrillischen Zeichenfolge am Straßenrand suchen. Hatte damit Glück. Kurze Zeit später fand ich ein großes Hinweisschild " ЛРИОЗЕРСК". Endlich hatte ich meine Richtung! Ein extrem starker Regenschauer prasselte plötzlich auf uns nieder. Die Regentropfen waren fingerkuppendick! Habe ich noch nie gesehen! Die Straße war überraschend sehr gut ausgebaut, so folgte ich ihr. Jedoch kamen keine Hinweisschilder mehr. Die Kompassnadel zeigte wieder Richtung Süden - St. Petersburg. Ich folgte ihr trotzdem. Detlef sagte mir, dass wir wieder auf St. Petersburg zu fahren. Ich stimmte ihm zu. Aber ich glaubte fest daran, dass wir uns auf der eingezeichneten Umgehungsstraße befanden und irgendwann ein Abbiegehinweis nach ЛРИОЗЕРСК kommen muss - so bin ich es ja von Westeuropa gewohnt. Als wir uns wieder an der Kreuzung befanden, an der wir vor gut einer Stunde standen, musste ich feststellen, dass ich mich geirrt hatte.
Nun wendete ich mich meinem GPS Gerät zu und fuhr stur Richtung NNO. Es fing wieder an zu regnen . Die Straßen wieder extrem reparaturbedürftig und mit Pfützen übersäht, hüllten uns in einem braunen Brei ein. Ich hielt an und dichtete soweit wie möglich meinen Endurohelm mit Tape ab. Irgendwann lies der Regen nach und die Sonne kam durch. Ein Ortsschild tauchte auf. Ich suchte den Namen in meiner russischen Landkarte und fand ihn. Nun waren wir eine Straße zu weit östlich. Na immerhin besser als vorher, da waren wir etliche Straßen zu weit westlich! Der Weg auf die A129 war schnell gefunden.
Einige Kilometer weiter sah ich die Schriftzeichen für Cafe. Hatte dies auf der Strecke zwischen Vyborg und St. Petersburg gesehen und gemerkt. Ich hielt für eine kleine Stärkung an.
Das Cafe machte einen ordentlichen Eindruck. Ein etwa 2 bis 3 Jahre altes Blockhaus.
Wir gingen hinein. Etwas verdutzt sah ich mich um. Eine Mischung aus Kiosk und Lebensmittelmarkt. Ich fragte nach Tee und etwas zu Essen, mein ADAC Reiseführer mit integriertem Sprachführer half mir ungemein. Konnte das junge Mädchen doch kein englisch.
Sie verwies mich nach draußen zu einer kleinen Metallbox. Diese hatte ich schon vorher gesehen. Habe mir aber trotz der 3 Tische und Sonnenschirme nichts dabei gedacht.
Das Cafe bestand aus einer 2 x 1,60 x 2 Meter großen, dunkelbraun angestrichenen Metallbox. Mit meinem Sprachführer bastelte ich unser spätes Mittagsmahl zusammen.
Nach dem Tee bat meine Blase eindringlich um Erleichterung. Ich suchte die Toilette auf.
War mir schon im Vorfeld sicher, dass ich einen Donnerbalken finden werde. Aber es kam noch schlimmer. Ja, noch schlimmer als ich es aus meinen Afrikareisen her kannte!
Als ich die Tür öffnete, fiel ich fast aus meinen Endurostiefeln. Grinste mich doch ein frisches rotgetränktes Nasenbärentuch von einer total beschissenen (bitte wörtlich nehmen!) Klobrille an. Ich musste tief einatmen, um nicht mein Essen zu verlieren. Der Druck war auch plötzlich irgendwie verflogen.
Zurück, war Detlef bereits an seinem Motorrad am Basteln und fragte mich nach Werkzeug.
Er bekam seinen Zündschlüssel nicht mehr ins Schloss. Nach kurzer Analyse der Sachlage stellten wir fest, dass die Feder der Schutzklappe rausgesprungen war und die Schutzklappe sich verkantet hatte. Detlef meinte, dass sich jemand in der Nacht am Schloss zu schaffen gemacht hätte. Ich konnte es mir nicht vorstellen. Wurden doch unsere Motorräder bewacht oder? An meinem Zündschloss war alles in Ordnung und die neue 900 TDM, die neben uns stand, war am nächsten Morgen auch noch da. Wer sollte an so alte Enduros Interesse haben, wenn eine fast neue TDM danebensteht?
Nach kurzer Zeit war der Defekt behoben und wir konnten weiter. Aus Detlefs Augen konnte ich jedoch erkennen, dass seine Motivation nicht mehr besonders war. Bei mir war es ebenso, all der Dreck, der Müll, die abbruchreifen Häuser, Fabriken und Hütten, die sich am Straßenrand befanden, erstickten meine Lust weiter nach Norden zu fahren, obwohl wir schon rd. 50 Kilometer (Luftlinie) nördlich von St. Petersburg waren. Wie weit hätten wir noch fahren müssen, um mehr oder weniger halbwegs unberührte und saubere Natur zu finden? 100 oder 200 oder mehr Kilometer? Ich weiß es nicht – gereizt hatte es mich schon, aber der Frust war in dieser Situation größer. Ferner war die Gegend recht stark besiedelt. Wäre schwierig geworden ein passendes Nachtlager zu finden. Ich schlug daher Detlef vor, meinen Besuch des Bernsteinzimmers begrabend, noch am selben Tag nach Estland zu fahren. Er stimmte zu und so fuhren wir über St. Petersburg die rund 250 Kilometer bis zur Grenze nach Ivangorod. Gegen 19:30 Uhr kamen wir am ersten Schlagbaum an.
Ein Uniformierter und ein Mann in Zivil stellten sich mir in den Weg. Der Zivilist fragte nach einem roten Beleg. Ich hatte keinen und er verlangte daraufhin 30 Rubel. Eine Nachfrage wofür die 30 Rubel zu zahlen sind, scheiterte an der Verständigung. Sein englisch reichte dafür nicht aus und mein kleines russisches Wörterbuch hatte nicht den erforderlichen Wortschatz. Klaglos zahlte ich ihm die 60 Rubel für uns beide. Detlef fragte mich, wofür ich die 60 Rubel zahlen musste. Ich konnte es ihm nicht sagen. Es ist halt so und ich zahle, so wie ich es von meinen Afrikareisen her kenne, antwortete ich ihm. Dort wurden auch oft obskure Gebühren verlangt. Man will weiter, also verhandelt man und zahlt dann. So ist es halt.
Vor mir standen über ein Dutzend wartende Autos. Hinten anstellen oder vorbeifahren? Ich entschied mich vorbeizufahren und stellte mein Motorrad leicht versetzt vor dem ersten Wagen ab. Detlef tat es mir gleich. Ging zum Grenzhäuschen und reichte meine Ausweispapiere der Grenzbeamtin. Sie fuchtelte auf einmal ganz wild mit den Armen und sprach in russisch zu mir. Ich fragte höflich in englisch nach, was sie meinte. Darauf wurde sie noch temperamentvoller. Ich zuckte mit den Achseln und gab ihr in englisch zu verstehen, dass ich kein russisch und sie daher nicht verstehen kann, obwohl ich aus ihren Armbewegungen ableiten konnte, dass wir uns entfernen sollten. Wie? Hinten anstellen? Da blieb ich lieber stur und stellte mich auf dumm. Ein Este schaltete sich ein und teilte mir mit, dass wir unsere Motorräder etwas zur Seite stellen sollten, damit Fahrzeuge mit Sondergenehmigungen vorbeifahren konnten. Eine lange Wartezeit begann. Nach gut 1 ½ Stunden, Detlef öffnete gerade seine Seitenkoffer, um sich sein Abendbrot zu holen, ging auf einmal die Schranke hoch. Schnell, schnell! rief ich ihm zu. Noch nicht richtig ausgepackt, packte er seine Sachen wieder zusammen.
An der Hauptabfertigung angekommen überragten die beiden imposanten Festungen, die Hermanfeste von Narva und die Festung Iwangorod die Grenzanlagen. Sie liegen am Ufer der Narva, genau gegenüber, und können sich beide gegenseitig in ihre Kanonenrohre schauen. Gerne hätte ich ein Foto geschossen, leider war es schon zu dunkel und ich wollte es von der russischen Grenzeinrichtung aus nicht wagen. Hätte sicherlich ernsthafte Probleme bekommen, wenn dies ein Grenzbeamter mitbekommen hätte.
So schoben wir in 5 Meter Schritten unsere Motorräder voran, bis dass wir an der Reihe waren. Detlef teilte mir hier das erste Mal mit, dass er nach Hause fahren wollte. Ich verstand es als Spaß. Ein Irrtum, wie sich später herausstellen sollte. An der Grenze fand wieder das gleiche Prozedere statt, wie bei der Einreise, nur der Versicherungsabschluss fiel weg.
Vor der estländischen Grenze leuchtete wieder die Ampel in rot. Rasch sprang die Ampel auf grün. Ich hielt dem estländischen Grenzbeamten meinen Reisepass und meinen KFZ-Schein hin. Ein kurzer Blick und alles war in Ordnung und der Beamte signalisierte mir die Weiterfahrt. Nach Detlef wartend drehte ich mich um. Er stand neben dem Motorrad. Etwas musste passiert sein. Ich fuhr mein Motorrad zu Seite und stieg ab.
Detlef teilte mir mit, dass der Grenzbeamte den Reisepass sehen wollte und nicht seinen Personalausweis. So war er in eine Diskussion mit dem Grenzbeamten verwickelt. Der Grenzbeamte teilte Detlef mit, dass Estland noch nicht dem Schengener Abkommen beigetreten ist und somit noch der Reisepass vorgezeigt werden muss.
Da der Reisepass für die Ein- und Ausreise für Russland benötigt wird, bat ich Detlef dem Wunsch den Grenzbeamten nachzukommen.
Detlef informierte den Grenzbeamten, dass er Unrecht hat und versuchte ihn aufzuklären.
Um eine Eskalation und möglichen Strafmassnahmenfür uns (intensive Zollkontrolle mit Kofferauspacken, ggf. Verwehrung Einreise? etc.) zu verhindern, habe ich Partei für den Grenzbeamten ergriffen. Es widerstrebte mir zutiefst, Detlef in den Rücken zu fallen. Aber ich habe an Grenzen erlebt, was passieren kann, wenn es einen bös trifft. Dies wollte ich unter allen Umständen verhindern. Am Ende der Diskussion, die zu keinem Erfolgt führte, zeigte Detlef dem Grenzbeamten seinen Reisepass und wir durften einreisen. Glück gehabt. Es hätte auch anders ausgehen können!
Keine 200 Meter hinter der Grenze wollte Detlef nur noch nach Hause. Er verfluchte die Russen und den Bürokratismus und die Länder. Gab mir zu verstehen, dass mich keine Schuld trifft, er aber keinen Tag mehr länger hier oben bleiben wollte. Ich versuchte Detlef noch umzustimmen bzw. einen Kompromiss zu finden, merkte aber schnell, dass ich es nicht schaffen würde. Keine 2 Minuten nach der kurzen Verabschiedung war er im Dunkeln der Nacht verschwunden. Überrascht und enttäuscht blieb ich zurück. Ich beabsichtigte nicht bereits so vorzeitig meine Tour abzubrechen. Lagen doch noch so viele Sehenswürdigkeiten vor mir.
Ich machte mich zum ursprünglich gemeinsam angepeilten Campingplatz in Ontika auf. Nach gut 70 Kilometer traf ich in Ontika ein und musste feststellen, dass es in dem Ort keinen Campingplatz mehr gibt. Etwas ziellos stocherte ich in der Nacht umher auf der Suche nach einer Bleibe. In Saka, etwa 10 Kilometer weiter, fand ich ein Hinweisschild, das auf einen Campingplatz mit angrenzendem Motel hinwies. Kurz vor Mitternacht ereichte ich den Campingplatz. Der Campingplatz war noch nicht fertig. Das Motel jedoch. So buchte ich ein Zimmer für die nächsten 2 Tage. Sofort nach Hause fahren? Dies wollte ich unter keinen Umständen. Detlef hatte mich wohl diesbezüglich bei unserer Trennung gefragt. Bin jetzt über 2.000 Kilometer von zu Hause entfernt, da wollte ich schon noch etwas mitnehmen und der Schmerzfaktor, die Tour abzubrechen, war bei weitem noch nicht gegeben, obwohl ich zugeben muss, dass die Motivation ordentlich gelitten hat.
Wie ich erst jetzt beim Schreiben bemerke, war der 13. ja ein Freitag, es war ein rabenschwarzer Freitag. Tja, der Aberglauben spiegelt doch hin und wieder vortrefflich die Realität wieder.
8. Tag, 14. August 2004, Samstag
Früh morgens gab es ein heftiges Gewitter. Das Gewitter vertrieb das warme Wetter der vergangenen Tage und ein kalter Wind blies mir ins Gesicht. Wolkenfetzen flogen über mir vorüber. Ich machte mich auf, die Nordküste Estlands zu erkundigen. Ich folgte der Glintküste nach Osten. Die Glintküste ist eine 20 Meter hohe Steilküste. Stellenweise ist die Abrisskante des Kalksteinplateaus sogar 50 Meter hoch. Ein herrlicher Ausblick auf die Ostsee bot sich mir. Ich hielt an, um die Stimmung in meiner Kamera festzuhalten. In Valaste wurde ich auf ein Hinweisschild aufmerksam. Eine etwas wackelige Stahltreppe führte mich zum Valaste Wasserfall, der an dieser Stelle etwas über 20 Meter in die tiefe stürzt. An den Geländern sind dutzende von Schlössern in allen Größen angebracht worden. Ich betrachtete sie näher und erkannte Gravuren "Mika & Ilze" sowie ein Datum. Wahrscheinlich haben hier junge Brautpaare symbolisch mit dem Schloss ihre Ehe geschlossen und wenn das Schloss an diesem Ort verweilt, wird ihnen für ewig Glück wiederfahren.
Setzte meine Reise beeindruckt von dieser Küstenlandschaft fort. Wenig später traf ich Manfred. Er kam vom Bodensee. Er war alleine unterwegs und wollte weiter nach Finnland. Wir vertieften uns in ein Gespräch. Weiter in Voka traf ich auf eine Volkloregruppe. Es gelang mir einige Damen in Trachtenkostümen zu einem Foto zu überreden. Danach entschied ich mich ins Hinterland zu fahren. Hier kam ich an etlichen Steinbrüchen vorbei. Hier wird der einzige Energierohstoff Estlands – Ölschiefer – gewonnen. Über Feldwege bahnte ich mir meinen Weg wieder in Richtung Westen. Industrieruinen und nicht mehr bewirtschafte Gutshöfe säumten meinen Weg. Irgendwann fuhr ich in einen Wald hinein, der 15 Kilometer gerade aus ging und nur durch 2 Rechtsbiegungen unterbrochen war. Wuchtige Fichten ragten zu meiner linken und rechten Seite auf. Der Untergrund erforderte jedoch einiges an Konzentration von mir ab. Die kleinsten Steine des Schotterweges hatten fast Tennisballgröße. Als ich wieder auf die E 20 bog, hatte ich ein breites Grinsen auf meinem Gesicht. Um wieviel schöner wäre es gewesen, wenn die Sonne geschienen hätte und es keine "cats and dogs" dabei geregnet hätte? Mittlerweile war es später Nachmittag geworden, so machte ich mich auf den Rückweg ins Saka Cliff Motel, was eigentlich mehr ein Hotel war. So neu und so nobel eingerichtet und das für nur 35 Euro die Nacht mit Frühstück. Für ein 3-Gang-Abendmenü musste ich mit Getränke umgerechnet rund 8 Euro bezahlen.
Via SMS habe ich spät abends Kontakt mit Julia aufgenommen. Julia habe ich über das LC8 Forum kennengelernt. Als sie von meiner geplanten Baltikumtour erfuhr, fragte sie bei mir an. Leider ist eine gemeinsame Reise nicht zustande gekommen, so ist sie mit ihrem Freund nach St. Petersburg gefahren, um von dort ihre Baltikumreise zu starten. Wir wollten uns am Peipusee treffen. Schnell war der Treffpunkt vereinbart – Kauksi.
9. Tag, 15. August 2004, Sonntag.
Eine Nacht lag noch zwischen unserem Treffen, so wählte ich als nächstes Ziel Tallin. Die
E 20 führte mich auf dem schnellsten Weg dorthin. Eine wunderbar restaurierte Altstadt empfing mich. Riesige Mauern mit mächtigen Türmen umschlossen die Altstatt. Für eine gute halbe Stunde wagte ich mein Motorrad samt Gepäck alleine zu lassen und erkundigte einen Teil der Altstadt. Hätte hier sicherlich einen kompletten Tag und mehr benötigt, so viele Gassen und Tipps aus meinem Reiseführer. Als ich zum Motorrad zurück kam, war alles noch vorhanden. Also ist das Vorurteil größer als die Wirklichkeit – oder ich hatte schlichtweg Glück! Egal. Mein nächstes Ziel war der Lahemaa (Land der Buchten) Naturpark, rund 40 Kilometer östlich von Tallin. Ein Besuch dieses Naturparks lohnt sich allemal. Auf kurzem Raum durchfährt man hier die unterschiedlichsten Naturlandschaften. Mir eröffneten sich weite lichte Wälder und freie Felder und Hochmoore. Die von der letzten Eiszeit zerklüftete Küste birgt kleine Buchten mit malerischen Fischerdörfern und teilweise riesigen Findlingen, die wie Pickel aus dem Wasser ragen. Durchquere Palmse. Wie ich aus meinem Reiseführer entnehmen konnte, solle es hier schon im 13. Jh. ein Dorf gegeben haben und ein Gut, das der Dänische König einem Zisterzienserkloster schenkte. Der Sage nach sind die zahlreichen kleinen und großen bemoosten Steine im Wald versteinerte Teufel, die nach dem Umzug des Klosters im 16. Jh. dort saßen und vergeblich auf die Rückkehr der Nonnen warteten. Mit etwas Phantasie kann man aus den Steinen tatsächlich die Teufel erkennen. Hä hä, die alten Gehörnten, sollen sie doch bis zum jüngsten Tag warten!
In Käsmu fand ich einen kleinen privaten Campingplatz. Für umgerechnet 2 Euro baute ich mein Zelt keine 5 Meter vom Ufer der Ostsee auf. Das Ufer war von einem Schilfgürtel umgeben und das Meerwasser in der Bucht war glatt wie ein Kinderpopo. Nach einem heftigen Regenschauer, genoss ich bei einem kleinem Abendbrot, einen stimmungsvollen Sonnenuntergang. Komisch, bei gerade einmal 17°C saß ich in kurzer Hose und T-Shirt draußen und mir war nicht kalt! Kommt wohl von diesem extrem milden Klima.
10. Tag. 16. August 2004, Montag
Mein Weg sollte mich heute über Rakvere durchs Lääne-Virumaa (Westwierland) über Maustvee nach Kauksi am Peipusee führen.
In Rakvere (Wesenberg) ragte auf einem Hügel die mächtige Ruine der Ordensburg empor.
Diese Burg war im 14. Jahrhundert eine wichtige Festung zwischen Tallin und Narva. Während der polnisch-schwedischen Kriege wurde die Burg 1605 stark beschädigt und im 16. / 17. Jahrhundert aufgegeben und als Steinbruch genutzt. Ich konnte gut erkennen, wie die Einwohner die Festung wieder liebevoll restaurierten. Eine kleine offene Theaterbühne wurde im Innern der Burg erbaut.
Weiter ging meine Fahrt Richtung Südosten. Wieder eröffneten sich mir endlose weite offene Feldlandschaften und abwechselnd lichte und dunkle Waldabschnitte. Störche staksten wie schon Tage zuvor einzeln und in Gruppen durch die vielen Wiesen. Die Straße hatte zwischenzeitlich ihren Teerbelag aufgegeben und somit fuhr ich über eine ordentliche, sauber geschobene Piste. Etliche kleine unbefestigte Wege führten zu kleinen Ortschaften, die in meiner Karte nicht vermerkt waren. Irgendwann konnte ich nicht wiederstehen und bog in eine ab. So erlebte ich die reine Wildnis Estlands und konnte die Landschaft in großen Zügen genießen.
Etwas nördlich von Mustvee kam ich aus dem Busch wieder auf Landeshauptstraße 3.
Am Ufer des Peipusees fuhr ich nach Mustvee. Der Peipusee ist 8 x größer als der Bodensee! Hat jedoch nur eine durchschnittliche Tiefe von 8 Metern und ist der viertgrößte Binnensee Europas. In Mustvee genoss ich den Anblick eines der schönsten Flussmündungen des Sees. Hier fliest die Mustvee (must vesi bedeutet schwarzes Wasser), der dem Ort auch den Namen gab, in den See. Ich nutze den Ort für einen kleinen Lebensmitteleinkauf. Leider war nur kalte Küche möglich – Detlef hatte den Kocher mitgenommen.
In Kauksi fand ich 2 Campingplätze. Das Telklaager erschien mir besser. Da noch viel Zeit bis zum Abend lag, nutze ich diese und erkundigte den nördlichen Teil des Sees. Bei Lisaku sah ich eine blaue LC 8 sowie eine BMW F650 am Straßenrand. Kehrte um und hielt an, so kam ich zu einem gemeinsamen Mittagessen mit 2 Italienern. Nach den Erinnerungsfotos trennten wir uns wieder. Am späten Nachmittag betrat ich den Campingplatz und nahm eine dieser kleinen Schlafhütten. Die Holzhütten waren wirklich klein, sehr klein. Im Innern der Holzhütte ein kleines Fenster von 50 cm Kantenlänge. 2 Betten am Rand von jeweils 2 Metern Länge und 80 cm breite. In der Mitte ein 50 cm breiter Gang. Der Vorraum war ebenfalls einen halben Meter lang und gute 2 Meter breit. Na ja gerade genug Platz zum schlafen und um seine Sachen im Vorraum turmhoch stapeln zu können. Das Bett war bretthart. Klar! Die Matratze war ja auch aus Holz. Isomatte drauf und schon hatte ich ein wunderschön weiches Bett! Der Campingplatz befand sich in einen lichten Wald, so dass die Sonne bis auf den Boden schien und so stellenweise Rasen wuchs. Über einen kleinen sandigen Fußweg durch den Wald gelangte ich zum Peipusee. Dieser lag keine 200 Meter vom Campingplatz entfernt. Der Wald endete an einer 2 Meter hohen Abrisskante. Eine Holztreppe führte mich hinab zum sandigen Ufer, das sich mir gegenüber großzügig offenbarte. Der Sandstand hatte etwa eine Breite von gut 300 Meter und war an beiden Enden in einem dichten Schilfgürtel eingefasst. Eine Stille umgab mich, die nur durch das leise Plätschern des Sees unterbrochen wurde. Hier und da rief ein Waldvogel. Ich genoss eine Weile diesen Ausblick.
Zurück in meiner Holzhütte verkündete eine SMS von Julia, dass es später werden würde. Sie wurden von der Polizei 2 Mal abgekocht, weil sie angeblich zu schnell fuhren und sie mussten insgesamt 120 Euro Strafgelder zahlen. Daher sind sie später an der Grenze angekommen als geplant. Ich rechnete, wenn sie gut über die Grenze kämen, dass sie gegen 22:00 Uhr da wären. Wie gut, dass ich etwas zum Abendessen eingekauft hatte.
Zwischenzeitlich waren italienische Motorradreisende mit normalen Straßenmaschinen auf dem Camping angekommen. Schnell verwickelten wir uns in ein Gespräch und ein gemeinsames Abendessen auf dem Campingplatzrestaurant wurde mit den Reisenden aus Udine vereinbart.
Kurz vor 22:00 Uhr kamen dann auch Julia und Stefan.
11. Tag, 17. August 2004, Dienstag
Eigentlich hatten wir am Samstag bereits telefonisch ausgemacht, dass ich mich ihnen anschließe und wir die Baltikumtour zu Dritt abschließen. Jedoch erfuhr ich am Abend, kurz bevor Julia und Stefan ankamen, in einem Telefongespräch mit meiner Frau, dass sie in der kommenden Woche ins Krankenhaus musste. Nun war meine Lust die herrliche Landschaft des Baltikums zu erkunden vollständig dahin. So bereitete ich mich frühmorgens auf meine Rückreise vor. Rückreise durch Polen oder per Fähre von Klaipeda nach Kiel. Ich rechnete und entschied mich für die günstigere Variante – die Fährpassage.
So konnte ich, mir wenigstens die kurische Nehrung anschauen.
Mein Reiseweg ging durch das Hinterland Estlands nach Tartu. In Valga überquerte ich die Grenze nach Lettland und folgte der A 3 bis nach Riega. Vor Riega entschied ich mich für die Umgehungsstraße. Riega werde ich wohl bei meiner nächsten Baltikumreise in ein paar Jahren besuchen. Auf der A8 ging es weiter über Jelgava zur Grenze nach Litauen. In Joniskis, kurz hinter der litauischen Grenze machte ich eine Pause. Der Regenkombi konnte, verpackt werden, da jetzt nach Stunden des Dauerregens die Sonne wieder in voller Pracht schien. Direkt neben mir war eine Bank. Gute Gelegenheit einige Litas aus dem Automaten zu ziehen. Leider fand ich meine EC-Karte nicht mehr. Ein Schreck durchfuhr meine Glieder. Mit der letzten Batteriekraft meines Handys sperrte ich meine EC-Karte bei meiner Bank.
So musste ich auf alter Art und Weise Geld eintauschen. Die ollen Rubel wollten sie nicht, nur meine schönen Euros! Na, muss jetzt sehen, wie ich meine restlichen Rubel wohl loswerde!
In Siauliai wendete ich meine Kati wieder Richtung Meer. Laut GPS waren es noch 150 Kilometer bis Klaipeda. Erst 25 Kilometer vor Klaipeda kam der entsprechende Wegweiser. Ansonsten stand immer nur Palanga auf den Wegweisern. Die Straßenkarte hatte ich in meiner Kartentasche noch nicht entsprechend neu gefaltet . Etwas mulmig war mir schon aber die Koordinaten aus der Ortdatenbank des Garmin II Plus dürften ja wohl kaum falsch sein! Ich folgte stur dem Pfeil und der Straße, die mir unendlich lang vorkam. Sah es doch so aus, als hätte jemand vergessen Kurven einzubauen. Wie ich später erfuhr, ist Palanga das El Arenal von Litauen. So wundert mich die Straßenbeschilderung nicht mehr, denn Palanga ist wesentlich kleiner als Klaipeda.
In Melnrage, nördlich von Klaipeda, fand ich nach rund 700 Kilometern eine preisgünstige Unterkunft unweit vom Sandstrand. Die Straße, die zum Strand führte erinnerte mich ein Wenig an Fuerteventura und Italien. Die Kneipen und der riesige Sandstrand sahen so aus wie auf Fuerteventura, das Gezirpe der Grillen und die italienische Musikuntermalung sowie der mildwarme Abend an die lauen Nächte in Italien...
12. Tag, 18. August 2004, Mittwoch
Um 9:00 Uhr setze ich mit der Fähre von Klaipeda auf die kurische Nehrung über.
Ein uralter, aber in weißgrün frisch angestrichener Kahn brachte mich zum anderen Ufer.
In Smyltyne passierte ich eine Mautstelle – ein kleiner Obolus für den Nationalpark wurde mir abverlangt. Gerne habe ich diesen entrichtet. Der 98 Kilometer lange und schmale Landschaftsstreifen, der übrigens in 20 min zu Fuß durchquert werden kann, bot abwechslungsreiche Landschaften an. Im nördlichen Bereich fand ich Wiesen vor, wie sie nach gerodeten Wäldern vorkommen. Hier hatte also vor einigen Jahren ein Brand gewütet.
Der Boden war hier sandig. Nach einigen Kilometern durchfuhr ich lichte Kiefernwälder. Dazwischen waren dann auch hin und wieder einige sumpfige Abschnitte. Ein am Straßenrand befindlicher riesiger Steinkopf überredete mich zu einer Pause. Wie ich feststellte, verbrachte ich auf einem Kriegsgräberdenkmal meine Pause. Ich studierte meinen Reiseführer und erfuhr hier eine schöne Geschichte über die Entstehung der Landzunge. Ein wunderschönes Mädchen mit blauen Augen und blondem Haar soll maßgeblich beteiligt gewesen sein. Aber dies erzähle ich Euch ein anderes mal.
Als ich in Nida ankam, fing es wieder an zu regnen. Dennoch ließ ich es mir nicht nehmen den Ort zu erkunden. Gerne wäre ich auf der großen Düne, die sich am Ende des Hafens befand, gewandert aber meine Zeit neigte sich langsam dem Ende zu. Ich musste mir ja noch mein Fährticket kaufen, denn diese lief ja bereits am gleichem Tag um 17:00 Uhr aus. So machte ich mich auf den Rückweg. Einige Souvenirs hatte ich mir schon besorgt. Eine Bernsteinbrosche für Martina und einen Bernstein in der eine kleine Spinne eingeschlossen ist, für mich. In Juodkrante sah ich am Straßenrand eine 98ger Adventure. Ich musste anhalten. Gleichzeitig winkte einer aus dem Kaffeerestaurant. Ich ging hinein und traf eine Familie. Die Frau fuhr auf einer BMW F650 Dakar und er mit seinem Sohnemann auf der AD. Wir aßen zu Mittag und fuhren gemeinsam zum Fährhafen. Ihre Fähre ging ebenfalls am gleichen Tag nach Sassnitz.
Nachdem ich mich eingeschifft hatte, hörten die Regenschauer auf und die Wolkendecke riss auf. Es wurde wärmer und die Passagiere strömten auf die Decks, um die wärmenden Sonnenstrahlen zu genießen. Da ich etwas später kam, waren fast alle Stühle belegt. Ich fand jedoch noch einen freien Stuhl, nahm ihn mir und suchte mir einen angenehmen Platz. Dies sollte mich noch fast zu einer Schlägerei führen.
Nichtsahnend genoss ich die warme Nachmittagssonne auf dem Schiff, bis mich ein heftiger Ruck und eine laute Stimme aus den Träumen riss. Ein Litauer zog heftigst an meinem Stuhl, so dass ich mich festhalten musste. Dabei brüllte er mich in englisch an, wie ich dazu käme, seinen Stuhl zu nehmen. Ich teilte ihm mit, dass ich nun über 5 min auf dem Stuhl sitze und dieser vorher frei war. Seine Tochter fing an zu weinen an. Er schubste sie beiseite und fing von vorne an. Ich wiederholte mich ebenfalls. Zornesröte stieg in seinem Gesicht auf und die Augen quollen hervor. Ich ahnte Fürchterliches, aber den Stuhl an so einem Choleriker freigeben? Nein. Niemals! Er bestand unmissverständlich darauf, dass dies sein Stuhl wäre. Ich frage ihn, wo denn sein Namenschild wäre. So ging es eine ganze Weile hin und her. Irgendwann war es mir dann doch zu bunt und ich drehte mich demonstrativ weg. Legte mein Armgelenk auf das Knie und mein Kinn in die offene Handfläche. Noch einmal riss er am Stuhl und hielt die Rücklehne in der Hand. Abgerissen! Es war aber halb so wild. Die Rückenlehne war nur auf dem Metallrahmen des Stuhles aufgeklippt. Er erschrak und ich konnte mir ein breites Grinsen nicht verbergen. Er schmiss die Lehne auf den Boden und stampfte laut fluchend davon. Gewonnen! Hinterher entschuldigte sich eine deutschsprechende Litauerin bei mir für das Verhalten ihres Mitbürgers mit der Begründung, dass bei einigen Litauern, die zu Geld gekommen sind und sich somit ein gehobenes Auto (wie ich später feststellen konnte, einen aktuellen VW Passat) leisten können, meinen, sich alles erlauben zu können. Weiter erfuhr ich abends von einem Franzosen, dass dieser Litauer auch sehr auffällig und lautstark im Restaurant aufgefallen ist.
Mit über dreistündiger Verspätung legt die Fähre ab, nachdem ein Schaden an der Auffahrrampe behoben war. Sie hatte sich verkanntet und die Hafenarbeiter kloppten 3 Stunden lang mit einem Hammer, bis einer den Mut hatte einen kleinen Autokran einzusetzen. Ein lauter Entspannungsknall und schon war alles in Ordnung.
13. Tag, 19. August 2004, Donnerstag.
Der nächste Tag bescherte mir wieder einen herrlichen Sonnenschein. Ich nutzte ein vor Wind geschütztes Plätzchen und nahm ein ausgiebiges Sonnenbad. Gegen 13.00 Uhr liefen wir in die Kieler Bucht ein. Das Schiff hatte 2 Stunden aufholen können.
Die letzten 450 Kilometer bis zu meinem "Heimathafen" war dann nur noch ein Klacks.
Zu Hause angekommen, kippte mir dann nochmals das Motorrad vom Seitenständer. Dabei zeriss es mir meinen Tankrucksack sowie meinen rechten Bremshebel. Ein wahrlich krönender Abschluss. :-D
FAZIT:
Der Ablauf der Tour war zwar nicht so wie ich es mir vorgestellt habe, aber die gewonnen landschaftlichen Eindrücke führten mich zu dem festen Entschluss, die Tour nochmals in Angriff zu nehmen. Hier werde ich jedoch warten, bis dass der Euro in den baltischen Staaten eingeführt ist, also so in gut 5 Jahren. Meine nächste Tour dürfte mich sicherlich wieder nach Afrika bringen. Habe da etwas in Sambia vor.
_________________ Einige träumen von großen Taten.
Andere sind wach und vollbringen sie.
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KTM-Michi Tremalzobezwinger
Anmeldungsdatum: 16.09.2003 Beiträge insgesamt: 242
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Verfasst am : Mo, 6. Sep 2004, 7:49 Titel: |
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Puhh ganz schön lang was ...
Bilder versuche ich noch heute nachzuliefern, muss hierzu noch heut' Nacht einige DIAs einscannen. Werde dann versuchen mittels PDF diese hier hochzuladen. Habe leider keine Webseite um einen Link zu setzen.
Salve
KTM-Michi _________________ Einige träumen von großen Taten.
Andere sind wach und vollbringen sie.
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